Gedanken zu Fußball und Spiritualität – gibt es da womöglich Gemeinsamkeiten ?

Früher hatte ich mit Fußball nicht viel zu tun – außer saisonweise als Zulieferin von Klatschkarten, sowie belegten Broten und kalten Getränken bei entsprechenden Fernsehübertragungen für meine Kinder.
Jetzt sind sie aus dem Haus, und ich sinniere über mein neu erwachtes Interesse an der EM (2012).

Es ist zum einen der Nationen verbindende Aspekt. Selbst wenn ich damals in Erdkunde besser aufgepasst hätte – so viel hätte ich nie über die Ukraine und über Polen erfahren wie zur Zeit. Mindestens so sehr wie der eigentliche Kern der EM, die Spiele selbst, faszinieren mich die Eindrücke und Geschichten am Rande, die unterschiedlichen Kulturen, die Berichte über die Lebenssituation der Menschen dort und auch hier. Und ich freue mich, wenn ich von mitgereisten deutschen Fans höre, wie so manches Vorurteil dahin geschmolzen ist.
Mir ist auch klar, dass es da um große Summen Geld geht, angefangen beim „Spielerhandel“ und den unglaublichen Gehältern und Zulagen, die die kickenden Stars fürs harte Training und Erfolge beim Spiel erhalten (auch die Vereine, Trainer und Manager profitieren nicht schlecht davon) bis hin zur Investition von Unsummen in den Bau von Stadien samt Infrastruktur und nicht zuletzt in dem nicht zu unterschätzenden Wirtschaftszweig der Fanartikel und Artikel des täglichen Gebrauchs mit aktuellen Aufdrucken und Logos.
So mancher Zuschauer mag verwundert seinen Stundenlohn mit dem dieser jungen Stars und ihrer Coaches vergleichen und auch mal grob durchrechnen, wie viel Elend in der Welt mit den gehandelten und investierten Summen gelindert werden könnte.
Ebenfalls könnte ich kritisch anmerken, dass die “Anbetung des Fußballgotts“ eine Art Trance erzeugt, die nur kurzzeitig von den Alltagssorgen ablenkt und sie nicht wirklich löst.

Aber ich will etwas anderes hervorheben, und zwar die Gemeinsamkeit mit der Erfahrung von sogenannter „einsgerichteter Konzentration“ in der Meditationspraxis.
In eben dieser versuche ich, meinen Geist zur Ruhe zu bringen, indem ich nicht jedem der Gedanken hinterherhänge, die wie eine Horde wilder Affen durch mein Gehirn jagen. Dazu gibt es unterschiedliche Herangehensweisen und Techniken, die am besten möglichst regelmäßig geübt werden (das Thema Üben und Dranbleiben auch angesichts auftauchender Frustration verbindet mich wiederum mit den Sportlern auf dem Feld).
In dem Maße, in dem mir das gelingt, werde ich ruhiger, ausgeglichener, Angst und Anspannung werden geringer und ich gehe entsprechend anders, nämlich gelassener, offener und entspannter auf die Welt zu. Und das verringert Leid – mein eigenes und das der Anderen.

Was geht denn an so einem Fussballabend im interessierten Zuschauer vor dem Fernseher vor?
Da wird wahrscheinlich „geübt“, sich nicht von anderem ablenken zu lassen, sei es vom Telefon, durch irgendwelche familiäre Anfragen mit dem Inhalt „… könntest Du bitte mal …?“ oder durch die Bedienung beim „public viewing“: „Mag jemand noch ein Bier?“. „Späääter – ahhh…“
Die mentale, psychische und körperliche Ausrichtung ist ganz beim Geschehen auf dem Spielfeld – um so intensiver, je schneller und nachdrücklicher sich Ball und Spieler einem der beiden Tore nähern. Wenn nicht da, wo sonst kann ich denn noch so einfach und kurzweilig Konzentration im Alltag üben??
Warum also nicht den ein oder anderen Fußballabend genießen, die Erfahrung von Solidarität – trotz aller Unterschiede – machen und das Erleben von Freude aus dem interessierten Verfolgen von sportlichen Leistungen mit in den Alltag hinein retten? Da kann ich dann weiter dran bleiben, Ablenkungen zu widerstehen und auch, nebenbei gesagt, der Andersartigkeit von Mitmenschen freudig und offen zu begegnen.

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